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Alle Farben Grau – Unterwegs in der Grauzone rund um Bensberg

Markierung des Bensberger Schlosswegs: die 13 auf rotem Grund

Text: Susanne, © alle Fotos: Susanne Troll

Mitte Februar – und immer noch winterliches Einerlei. Grau, Grau, Grau ist angesagt. Der Himmel lastet bleischwer, die Glieder ebenso. Drinnen lockt das bequeme Sofa – draußen herrscht eintöniges Grau. Einziges Bunt in dieser Zeit: Lumpenclowns & Co. Die Stimmung: eher mies. Trotzdem oder gerade deshalb: den inneren Schweinehund überwinden und raus! Auf nach Bensberg, wo das Schloss wie frischpoliert glänzt, das Milchborntal bezaubert und der aufmerksame Wanderer erkennt: Grau ist nicht gleich Grau.

Winterwandern deluxe: der Bensberger Schlossweg

Der Bensberger Schlossweg ist perfekt für eine Winterwanderung. Ein echtes Wintermärchen auf Wanderschuhen – und gerade jetzt ideal. Ob grauer Himmel oder strahlender Sonnenschein, dieser abwechslungsreiche Weg passt zu jedem Wintertag.

Unser Startpunkt ist Schloss Bensberg, heute Luxushotel und Hochzeitslocation. »Das erinnert mich an Versailles«, entfährt es Sabine, einer meiner beiden Mitwanderinnen. Recht hat sie: Herzog Jan Wellem (Johann Wilhelm II.) ließ sich bei seinem Prachtbau von den Schlössern in Versailles und Schönbrunn inspirieren. Doch nicht nur die barocke Opulenz beeindruckt, auch die spektakuläre Lage: Hoch auf dem Hügel, mit Blick bis zu den Spitzen des Kölner Doms. Das macht Schloss Bensberg so besonders: Die Mittelachse des Gebäudekomplexes ist exakt auf das Kölner Wahrzeichen ausgerichtet, das ca. 14 Kilometer Luftlinie entfernt liegt und bei gutem Wetter super zu erkennen ist.

Blick vom Schloss auf den Kölner Dom, der ganz klein im Hintergrund zu sehen ist

»Schloss und Dorf liegen auf einem hohen Berge, von dem man viele Meilen voll Wälder, Äcker und Heiden, in der Ferne eine Strecke des Rheines und die berühmten Sieben Berge sieht. […] Ich glaube, dass die Götter dann und wann auf einer silbernen Wolke so ihren Nektar trinken und die Hälfte der Erde übersehen.«

–– Notierte der Freiburger Dichter Johann Georg Jacobi bei seinem Besuch in Bensberg im Jahr 1774 in sein Tagebuch. Etwas anders wird es ausgesehen haben, aber den Dom im Hintergrund hat auch er schon sehen können.

Abstecher in die Geschichte

Orientierungshilfe für die Wanderroute ist ein markanter Wegweiser – eine weiße 13 auf knallrotem Grund. Vorbei am im Sommer beliebten Freibad laufen wir ins Milchborntal. Namensgeber des hübschen Tals ist der Milchbornbach, dessen Wasser milchig-weiß schimmert, geheimnisvoll wie manche finden. Der Weg schlängelt sich auf und ab durch den winterlichen Mischwald – genau dieses sanfte Auf und Ab erinnerte Jan Wellems Frau, eine Medici, an ihre Heimat Toskana.

Schon bald erreichen wir den Französischen und dann den Kaiserlichen Friedhof – Mahnmale dunkler Kapitel der Geschichte. Hier sollen unter anderem 4000 napoleonische Soldaten ruhen, gestorben an Typhus und Wundfieber. Wegen der Seuchengefahr begrub man sie im Wald, weit entfernt von ihrer Heimat. Der französische indes Einfluss blieb – bis heute sagen die Kölner »Tschö« (von »Adieu«) oder »Plümmo« (von »plumeau« für Federbett). Etwa 3000 Tote liegen im Massengrab des Kaiserlichen Friedhofs bestattet. Ihnen zu Ehren wurde ein Denkmal mit Türmchen und der Inschrift »Errichtet 1854 Franz Josef, Kaiser von Österreich« errichtet.

Knallrot, Quietschgrün

Doch zurück in die Gegenwart: Susanne, Sabine und ich sind froh, dass die knallroten Ilexbeeren fröhliche Farbtupfer ins Wintergrau tupfen. Die Europäische Stechpalme mit ihren immergrünen, stacheligen Blättern begegnet einem im Bergischen auf Schritt und Tritt. Doch Vorsicht: Sowohl Blätter aus auch Beeren werden als leicht gftig eingestuft. Mit dem ehemaligen Rittergut Lerbach ist das zweite Schloss der Route erreicht. Der einstige Gourmettempel mit Michelin-Stern ist derzeit wegen Renovierung geschlossen. »Das Restaurant war ganz schön abgefahren«, erzählt Susanne. »Hier habe ich einige Luxus-Hochzeiten fotografiert.«

Nach erfolgreicher Sanierung und dem Ausbau des Geländes soll Schloss Lerbach ab 2026 als Vier-Sterne-Superior Dorint Hotel wieder eröffnen. Die Pläne sehen mehrere Hotelgebäude mit insgesamt 125 Zimmern und ein Restaurant mit regionaler Küche sowie ein Spa mit Schwimmteichen vor. Zukunftsmusik. Erst einmal soll im Sommer 2025 der Landschaftspark wieder für Besucher öffnen. Dem ging das massive Fällen von Bäumen voraus, was viel Kritik nach sich gezogen hat. Eigentümer Heribert Landskron-Reißdorf versicherte, es gehe alleine darum, den viele Jahre vernachlässigten Wald wieder sicher zu machen und eine Basis für eine Verjüngung zu schaffen. Wir sind gespannt.

Zwei Wanderinnen im Wald von hinten
Hier ist der Weg noch eben …

Von frischer Milch und wildem Westen

Das nächste ›Highlight‹ wartet im Lerbacher Wald: »Schaut bloß, eine Milchtankstelle!« Hier darf selbst gezapt werden: frische Ab-Hof-Milch für einen Euro pro Liter, Flaschen gibt’s in einem anderen Automaten. Und Eier von glücklichen Hühnern auch. Michael van Elst war der erste Landwirt in Bergisch Gladbach mit einem 24-Stunden-Milchautomaten. Hier gibt’s frische Kuhmilch auf Knopfdruck: Münzen einwerfen, Klappe auf, Flasche unter den Hahn stellen, »Milchknopf« drücken – und zusehen, wie die Flasche sich füllt, während das Guthaben schrumpft. Fast wie an einer echten Tankstelle! Die Milch wird lediglich gefiltert und gekühlt, bleibt aber naturbelassen. Sie gilt als Rohmilch und darf offiziell nur abgekocht getrunken werden – ob man sich daran hält, bleibt jedem selbst überlassen.

Frau sitzt vor einem Automaten, an dem Milch in Flaschen abgezapft werden kann
Sabine feixt: die Milchtankstelle von Bauer Michael van Elst hat es in sich.

Die Hühner gackern, die Kühe muhen – wir müssen weiter. Keine 500 Meter entfernt, vorbei an Wiesen, die der Frost wie mit feinem Zucker bestäubt hat, beginnt im nächsten Tälchen überraschend der Wilde Westen: Im Mini-Weiler Kaltenbroich liegt zwischen bergischen und zum Teil denkmalgeschützten Fachwerkhäusern mit den typischen grünen Fensterläden »Trappertown«. Die Westernstadt ist ein abgefahrerer Treffpunkt für Wildwest-Fans … und wirkt auf uns ein wenig spooky. Ein Plakat wirbt für die Welt der Fallensteller, Pelztierjäger und Tipibewohner. Auch für Nicht-Cowboys beim jährlichen Countrymusikfest zugänglich.

Wasserstelle wird Verweilort

Am kleinen Flüsschen Lerbach, das durch den Ort plätschert, gibt’s eine Wasserstelle, die früher richtig wichtig war – lesen wir. Bis 1955 war Kaltenbroich nämlich nicht ans öffentliche Wassernetz angeschlossen, und die Dorfbewohner mussten ihr Trinkwasser mit Eimern aus dem Brunnen schöpfen. Ganz schön mühsam! Aber das war noch nicht alles: Der Platz war auch der Waschplatz der Gegend. Die weiße Wäsche wurde hier gewaschen und dann auf der Bleichwiese gegenüber zum Trocknen und Bleichen ausgelegt. Heute braucht hier niemand mehr schuften. Stattdessen laden bequeme Bänke zum Chillen ein. Sie wären auch ideal für ein kleines Picknick, aber dazu haben wir eine andere Idee.

Bergbau und Bürgerburg

Geschichtsträchtig geht’s weiter: Die Bergleute aus Kaltenbroich, so erfahren wir, schufteten früher in den Gruben der Hardt, dem Waldgebiet bei Bensberg. Ihr Erbe, das ehemalige Steigerhaus der Grube Blücher, wurde 1960 zum Naturfreundehaus Hardt (mit großem Biergarten) umgewidmet und ist unzähligen Familien bekannt, die zum Rodeln, Picknicken, Einkehren, Übernachten herkommen. Perfekt für eine Pause mit Kuchen, Stullen und Kartoffelsalat. Wer mag, picknickt auf der Bank vor dem Haus. Rauf zur Hütte ist es ganz schön steil, dieser Abschnitt ist Teil der Rodelstrecke. Wir haben heuer keinen Schnee, aber Hunger. »Schade, dass wir nicht Mittwoch haben – da ist Waffeltag!«, beklagt sich Susanne. Die Bergische Kaffeetafel sieht super aus, »aber dann können wir den Hang nur noch runterrollen und nicht mehr wandern.« Stimmt. Trotzdem werden wir alle drei lecker satt, und so gestärkt geht es noch einmal ordentlich auf und ab – Kondition ist gefragt.

Ziel des Schlosswegs: die (einstmals) stark polarisiernde Bürgerburg, im Volksmund „Affenfelsen“ genannt. Das brutalistische Rathausgebäude von Stararchitekt Gottfried Böhm (1962–1972) ist Sichtbeton pur und wird oft als zu gewagt, zu extravant empfunden, Es bildet einen faszinierenden Kontrast zum benachbarten Barockschloss Bensberg und beweist: Auch Steingrau hat seine eigene Schönheit. Das Rathaus erinnert ein wenig an eine Trutzburg, finden wir – und liegen gar nicht so falsch: Das Gebäude mit den massiven Wänden nimmt die Form der zerstörten mittelalterlichen Ringburg auf und interpretiert diese neu. So grau es ist, es macht unseren Tag bunt!

Hanebüchener Hexenprozess

Doch zum Abschluss unserer Wanderung wird’s noch einmal richtig finster: Eine Gedenktafel am Rathaus erinnnert an Katharina Güschen, die am 10. Juni 1613 in der Gemeinde als Hexe erhängt und verbrannt wurde. Ihre traurige Geschichte: Knapp zwei Jahre zuvor zeigte Katharina ihren Mann wegen Misshandlung an, was dazu führte, dass sie der Zauberei beschuldigt wurde. Nach mehr als einem Jahr grausamer Haft und mehrfacher brutaler Folter gestand sie schließlich angebliche Vergehen. Dies passierte übrigens nicht im finsteren Mittelalter, sondern im 17. Jahrhundert – also in der Neuzeit.

Die letzten auf der Gedenktafel vermerkten Sätze hören sich gerade jetzt sehr aktuell an:

Die Ursachen der Hexenverfolgung sind vielfältig, aber das Denken und Handeln dieser Zeit ist nicht nur Geschichte. Außenseiter, starke Frauen und Fremde werden auch heute oft gehaßt und verfolgt. Laßt uns aufpassen, daß unsere Gesellschaft heute keine Hexenverfolgung mehr zuläßt.«

Mehr Infos

Hinkommen: mit der S 1 von Köln bis U-Bahnhof Bensberg, dann ca. 10 Min. zu Fuß bis zum Bensberger Schloss. Dort gibt es auch kostenpflichtige Parkhäuser und Parkplätze; gratis kann ein Stück entfernt an Falltor- und Overather Straße geparkt werden.

Dauer & Strecke: 3 Std. für 10,1 km, 240 Höhenmeter; mit Picknick, Einkehren, Rodeln oder Schwimmen beliebig länger.

Beste Zeit: zum Schlechte-Laune-Vertreiben ganzjährig, ein Lichtblick im grauen Winter, zum Rodeln bei Schnee, fürs Freibad Mai–September, für die Pilze August/September–November.

Ausrüstung: feste Schuhe, warme, wetterfeste Kleidung, evtl. ein Picknick, ggf. Schwimmsachen, einen Schlitten oder Messer und Korb für die Pilze.

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